poniedziałek, 9 grudnia 2024

Journalistin aus der Ukraine: „Unser Staat funktioniert nicht dank, sondern trotz Selenskyj“

 

  1. Journalistin aus der Ukraine: „Unser Staat funktioniert nicht dank, sondern trotz Selenskyj“

    Große Korruption, fehlende Mobilisierung: Die Journalistin Inna Vedernikova erklärt, wo die Ukraine im Krieg steht. Eine ehrliche Bestandsaufnahme über die Realität im Land.

    29.11.2024 05:53 Uhr

    „Kaja Puto ist für die Berliner Zeitung in der Ukraine unterwegs, um ein ehrliches Bild über die Lage im Land zu zeichnen. Sie stellt in Gesprächen fest, wie verzweifelt die Ukrainer sind, weil der Westen das Land nicht in ausreichendem Maße unterstützt. Andererseits trifft sie auf Menschen, die immer stärker daran zweifeln, ob die eigene Regierung fähig ist, die Ukraine aus der Krise zu führen. Auf ihren Reisen hat Kaja Puto auch die ukrainische Journalistin Inna Vedernikova getroffen, die ihr darlegt hat, dass viele Widersprüche in der Ukraine in den großen westlichen Medien nicht besprochen werden: die schwindende Hoffnung auf einen ukrainischen Sieg, aber auch die ungebändigte Korruption, die viele ukrainische Soldaten verzweifeln lässt.

    Berliner Zeitung: Das Thema möglicher Verhandlungen mit Russland blieb in der Ukraine lange Zeit ein Tabu. Umfragen zeigten, dass die große Mehrheit der Ukrainer bis zur Wiedererlangung der vollen Souveränität kämpfen wollte, und die Politiker schlossen sich dieser Meinung an. Jetzt sagt Präsident Wolodymyr Selenskyj: „Wir können nicht Zehntausende unserer Leute opfern, um für die Rückgabe der Krim zu sterben.“

    Inna Vedernikova: Zu Beginn des großen Krieges half die optimistische Informationspolitik der Regierung den Menschen, sich zu vereinen und einige Gebiete zurückzugewinnen. Später wurde sie jedoch schädlich. Der sogenannte Telemarathon, d.h. die für den Krieg vereinigten Fernsehsender, erzählen den Ukrainern von den Erfolgen und schweigen über die Probleme.

    Ähnlich verhält es sich mit Präsident Selenskyj bei seinen abendlichen Auftritten in den sozialen Medien. In den vergangenen drei Jahren hat sich in der Gesellschaft ein verzerrtes Bild der Realität herausgebildet. Und das Leben in der Illusion macht es unmöglich, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Diese Politik ist zu einer der Ursachen für paradoxe gesellschaftliche Haltungen geworden: Gleichzeitig glauben wir, dass wir Russland militärisch besiegen werden (65,6 Prozent), wir werden niemals einer Änderung der Grenzen von 1991 zustimmen (51 Prozent), und gleichzeitig verurteilen wir nicht diejenigen, die sich dem Wehrdienst entziehen (46,1 Prozent). Dies geht aus einer Umfrage hervor, die das Rasumkow-Zentrum im Juli im Auftrag der Wochenzeitung „Zerkalo Tyzhnya“ durchgeführt hat.

    Jan Tombiński, Leiter der Botschaft Polens: „Eine Befriedigung Russlands auf Kosten der Ukraine führt zu keinem Frieden“

    Die Tatsache, dass die Behörden bei ihrer Hauptaufgabe versagt haben – den Staat auf eine militärische Schiene zu bringen. Denn es sind nicht nur die Armeen, die kämpfen sollten. Auch der Staatsapparat müsste dies tun. Wir haben große Probleme mit dem Staatsapparat – vor allem mit der Korruption und mit der Inkompetenz der Beamten. Die Menschen sehen nicht nur den ‚Telemarathon‘ der vereinten Fernsehsender, sie lesen im Internet, sie kommunizieren miteinander, sie sehen, dass der Krieg zu einem Krieg der Armen wird. Sie wissen, dass die Kinder und Verwandten der Machthaber nicht an der Front kämpfen. Sie sind unzufrieden. Deshalb wollen sie einerseits ihre Gebiete zurückerobern und andererseits wollen sie auch diejenigen nicht verurteilen, die sich vor der Armee verstecken.

    Eine Kundgebung gegen Korruption in Kiew.

    Die Polarisierung ist unvermeidlich. Jeder erlebt den Krieg auf seine eigene Weise. Man verliert einen geliebten Menschen im Krieg und schreit: „Es reicht, wir müssen aufhören.“ Jemand anderes hingegen wird fragen: „Wofür ist dann mein Sohn gestorben?“. Auch die Geografie spielt eine Rolle. Im Sommer lehnten die Menschen in der Ostukraine, wo die Wahrscheinlichkeit, beschossen zu werden und das eigene Haus zu verlieren, viel größer ist, Verhandlungen kategorisch ab. Und die Menschen im Westen, wo es relativ ruhig ist, unterstützten eher die Stimmen, die sich von der militärischen Lösung entfernten. Wir alle empfinden einen stechenden Schmerz und sind deshalb manchmal irrational. Einerseits wollen wir den blutigen Krieg stoppen, andererseits wissen wir, dass wir unsere Freiheit verlieren, wenn wir ihn stoppen. Wir haben keine wirkliche Wahl.

    Machen sich auch Journalisten der Verzerrung des Bildes der Realität schuldig?

    Zu Beginn des Krieges übten wir Selbstzensur, wir erlaubten uns nicht, die Regierung zu kritisieren. Wir hatten Angst, wir hatten das Gefühl, dass wir mit einer Stimme sprechen mussten, in der Hoffnung, dass der Krieg nicht nur die Werte der Gesellschaft, sondern auch die der Regierung verändern würde. Leider geschah dies nicht. Im Sommer 2022 haben wir in unserer Redaktion eine Regel aufgestellt: Wenn die Untätigkeit der Behörden unsere Armee am Sieg hindert, müssen wir die Wahrheit angstfrei aussprechen. Heute verschweigen wir nur noch Informationen, die der Existenz der Ukraine und dem Kriegsverlauf direkt schaden könnten (z.B. Adressen oder Fotos von Orten, die bombardiert wurden). Aus diesem Grund unterscheidet sich das Bild des Krieges, das die unabhängigen Medien zeichnen, von dem im „Telemarathon“ (also dem staatlich verordneten Bild im Fernsehen, Anm. d. Red.).

    Vor ein paar Tagen hat das ukrainische Zentrum für Sozialmonitoring die Ergebnisse einer neuen soziologischen Umfrage veröffentlicht. Sie unterscheiden sich von denen aus dem Sommer. Nur 39 Prozent der Ukrainer sind der Meinung, dass die Ukraine zu ihren Grenzen von 1991 zurückkehren sollte, 56 Prozent sind dagegen. Außerdem sind 64 Prozent der Meinung, dass es an der Zeit ist, Verhandlungen über die Beendigung des Krieges aufzunehmen. Warum hat sich dies so schnell geändert?

    Dafür waren zwei Faktoren ausschlaggebend – interne und externe. Erstens: Wir sind sehr müde. Wir sehen, wie Russland in allen Bereichen mobilisiert hat und voranschreitet, und wir kommen damit nicht zurecht. Wir haben Schwierigkeiten, Menschen für die Armee zu mobilisieren, und unser politisches System ist in Schieflage. Das Parlament und die Regierung haben keinen Einfluss, alle Macht ist in den Händen des Präsidenten und seiner Gefolgschaft konzentriert. Um einen Krieg zu gewinnen, reicht es aber nicht aus, „sein eigener Herr“ zu sein, man muss auch Kompetenz vorweisen können. Und Leute mit Kompetenz gibt es nur wenige. Zweitens: Die Höhe der Militärhilfe, die der Ukraine von den Partnerländern gewährt wird, dient der Verteidigung, ermöglicht aber keinen Gegenangriff. Dies ist die Strategie eines Westens, der sich vor dem Diktator einer Atommacht fürchtet. Die Ausnahme ist die Erlaubnis von Präsident Joe Biden für westliche Raketenangriffe tief in Russland hinein – aber das ist eher eine Folge des US-Wahlergebnisses.

    Ist die Wahl von Donald Trump Ihrer Meinung nach auch ein Grund für Präsident Selenskyj, öffentlich territoriale Zugeständnisse zu machen?

    Der Sieg von Donald Trump ist ein Argument für die Anerkennung einer neuen Realität. Zuallererst von den ukrainischen Behörden. Wir brauchen einen echten Plan B. Einen, der das Dilemma löst: wie man das Ausbluten richtig stoppt, damit die Freiheit nicht verloren geht. Trump hat in seinem Wahlkampf versprochen, den Krieg in der Ukraine 24 Stunden nach seiner Amtseinführung zu beenden. Ich glaube nicht, dass das möglich sein wird. Aber mit der Ukraine wird Trump aufgrund der Erwartungen seiner Wähler irgendwie fertig werden müssen. Die Staaten haben genug eigene Probleme, dazu kommen Herausforderungen aus China und dem Iran.

    „Natürlich kann Trump sich auch weigern, uns zu helfen“
    Die soziologische Forschung bezieht sich vor allem auf die Zivilbevölkerung. Und wie ist die Stimmung in der Armee?

    Ich kann dies nur anhand der Meinungen meiner Kontakte beurteilen. Im Militär herrscht die Überzeugung, dass wir uns selbst gegenüber ehrlich sein müssen. Dass wir entscheiden sollten, was ein Sieg für uns bedeutet, und uns ein realistisches Ziel setzen. Es gibt auch die Überzeugung, dass wir eine Pause brauchen. Vieles hängt von den Bedingungen eines möglichen Waffenstillstands ab. Die Militärs werden sich sicherlich am politischen Leben nach dem Krieg beteiligen und die derzeitigen ukrainischen Behörden fragen: „Was habt ihr hier gemacht, während wir an der Front waren und die Ukraine verteidigt haben?“.

    Und wie hat die Wahl Trumps die öffentliche Stimmung beeinflusst?

    Der Aufstieg derjenigen, die ein Einfrieren des Krieges fordern, beantwortet diese Frage teilweise. Es gibt aber auch die Ansicht, dass Donald Trump unberechenbar ist und dass er vielleicht der einzige Politiker der Welt ist, der Putin herausfordern könnte. Der russische Diktator fühlt sich jetzt stark und provoziert den Westen. Sollte es Trump nicht gelingen, schnell eine Einigung mit Putin zu erzielen, könnte dies den ebenso egoistischen Trump erzürnen. Nach dieser Hypothese wird Trump dann keine andere Wahl haben, als der Ukraine zu helfen. Natürlich kann Trump sich auch weigern, uns zu helfen, und die Verantwortung für den Ausgang des Krieges wird auf die europäischen Verbündeten fallen.

    Bei der Mobilisierung haben wir in der Tat eine Menge Probleme. In den militärischen Kommissionen und Rekrutierungszentren blüht die Korruption, das System der Grundausbildung der Soldaten ist schlecht organisiert. Einige Experten sind jedoch der Meinung, dass wir uns nicht unbedingt auf die Mobilisierung neuer Soldaten konzentrieren sollten, sondern auf die Optimierung der bereits mobilisierten Ressourcen. Vor allem aber können wir nicht ohne Waffen und Munition kämpfen. Und das sagen wir unseren westlichen Partnern mit Nachdruck.

    Die Ukraine hat zweifellos gezeigt, dass das Land es versteht, „Nein“ zu sagen – auch ihren westlichen Partnern gegenüber. Das beeindruckt andere osteuropäische Länder, in denen in den letzten Jahrzehnten nur Populisten Durchsetzungsvermögen gegenüber dem Westen gezeigt haben.

    Nicht nur gegenüber ihren Partnern, sondern auch gegenüber ihrer Regierung. Das ist unser nationaler Charakterzug – aufzustehen und die Wahrheit zu sagen. Ich schätzte diesen Charakterzug, als ich beobachtete, was 2020 in Belarus geschah. Die belarussische Gesellschaft wollte sich gegen Russland und seinen Diktator auflehnen, aber ihr „Nein“ hatte keine Kraft. Bei uns ist das anders. Das Problem für die Ukrainer ist jedoch, dass wir, wenn wir uns der Macht widersetzen, wissen sollten, was wir als Nächstes tun sollten. Also etwa den Staat jeden Tag mit unseren eigenen Händen aufbauen und die Macht kontrollieren. Und nicht zum nächsten Majdan laufen. Das ist die Lehre, die wir aus diesem Krieg ziehen sollten.

    „Ein Einfrieren des Krieges ist die falsche Lösung“
    Andererseits wird dieses ukrainische Durchsetzungsvermögen im Westen manchmal als Anspruchsdenken bewertet. So wird auch Präsident Selenskyj von vielen wahrgenommen.

    Selenskyj hatte und hat jedes Recht, mit seinen Partnern hart ins Gericht zu gehen, wenn er im Namen der Ukrainer spricht, die sich entgegen den Prognosen ihrer Partner für ihr Land und für Europa eingesetzt haben. Der ukrainische Präsident wollte jedoch nie zugeben, dass er den Westen um Unterstützung bittet, während er die uneingeschränkte Macht über den Staatsapparat hat. Der funktioniert nicht dank, sondern trotz seiner verfehlten Personal- und Wirtschaftspolitik sowie der von ihm geduldeten Korruption in der öffentlichen Verwaltung.

    Wie stellen Sie sich derzeit ein positives Szenario für die Ukraine vor?

    Ein Einfrieren des Krieges ist die falsche Lösung. Um dieses Szenario zu vermeiden, müsste der Westen seine Politik gegenüber der Ukraine ändern und wir müssten uns voll mobilisieren. Das wäre nur möglich, wenn unsere Behörden anfangen würden, die Wahrheit zu sagen. Das wäre möglich, wenn das Land von kompetenten Beamten regiert würde und wenn die Korruption bekämpft werden könnte. Die Frage ist, ob das jetzt realistisch ist. Wenn der Krieg eingefroren wird, muss die Ukraine Präsidentschafts-, Parlaments- und Kommunalwahlen abhalten. Wenn unsere Bürger aus dem lernen, was uns widerfahren ist, werden wir in der Lage sein, die Regierung durch eine qualitativ bessere zu ersetzen. Um zu überleben, muss die Ukraine ein autarker Staat werden, ihre Verteidigung und ihre Wirtschaft entwickeln. Keiner ist an einem schwachen Partner interessiert. Und ein schwacher Feind ist verlockend, erneut angegriffen zu werden.

    Laut der bereits erwähnten Social-Monitoring-Umfrage nennen die Ukrainer die Wiederherstellung des nuklearen Status des Landes als eine der drei vorrangigen Aufgaben des Staates nach dem Krieg, während der Nato-Beitritt nur an siebter Stelle steht. Der Nato-Beitritt ist, ebenso wie der Beitritt zur EU, nicht einmal unter den ersten fünf. Was sagen Sie dazu?

    Dies ist ein Spiegelbild der neuen Realität. Wenn die „ukrainische Frage“ so gelöst wird, dass Putin sich mit dem Westen an einen Tisch setzt, als ob nichts geschehen wäre, könnten andere Länder das Schicksal der Ukraine wiederholen. Eine multipolare Welt, in der jede Frage mit Gewalt gelöst werden kann, wird Realität werden. Aber aus irgendeinem Grund sieht der Westen dies nicht und will sich nicht nach dieser Realität neu orientieren.”

    A w „Berliner Zeitung” to tak pisza jak nikt w Polsce i dlatego tam jest reżym a w Polinie demokracja, prawda ?

    🇩🇪🇩🇪🇩🇪🇩🇪🇩🇪🇩🇪🇩🇪🇩🇪🇩🇪🇩🇪🇩🇪🇩🇪🇩🇪🇩🇪🇩🇪🇩🇪🇩🇪🇩🇪🇩🇪🇩🇪🇩🇪🇩🇪🇩🇪🇩🇪🇩🇪🇩🇪🇩🇪

Brak komentarzy:

Prześlij komentarz

W Niemczech człowiek niesłusznie skazany po 13 latach w więzieniu dostał rachunek za spanie i obiady na 100 tysięcy euro!

Historia Manfreda Genditzkiego brzmi jak scenariusz rodem z koszmaru. Mężczyzna ten, w 2010 roku, został skazany na dożywocie za morderstwo,...